Donnerstag, 14. Mai 2009

Frankreich: Arbeiten für 69 Euro im Monat

Die SZ berichtet heute, dass MitarbeiterInnen einer französischen Textilfirma Ihr Job in Frankfreich gekündigt wurde, und Ihnen dafür ein neuer Job mit den gleichen Tätigkeiten in Indien angeboten wurde. Das Problem: In Indien verdienen sie 69 Euro.

Letzte Chance Indien von Tobias Dorfer, 14.05.2009

Die Angebote der italienischen Manager im Rollenspiel waren im Vergleich sehr grosszügig.

Dienstag, 12. Mai 2009

Kassensturz: Fussbälle aus Kinderarbeit

Heute hat Kassensturz über Fussbälle berichtet, die z.T. in Sialkot (Pakistan) aus Kinderhänden genäht werden, und die Schweizer Schulen kaufen.
http://www.sf.tv/sendungen/kassensturz/manual.php?catid=kassensturzsendungsartikel&docid=20090512-fussball

In dem Bericht wird die Kontrollstelle IMAC als Lösung präsentiert.
Die etwas komplexeren Zusammenhänge im Zusammenhang mit dem Verbannen von Kinderarbeit, die gerne übersehen werden, werden in den beiden folgenden Artikeln beschrieben:

Farzad R. Khan; Kamal A. Munir; Hugh Willmott: A Dark Side of Institutional Entrepreneurship: Soccer Balls, Child Labour and Postcolonial Impoverishment, Organization Studies, Vol. 28, No. 7, 1055-1077 (2007)
DOI: 10.1177/0170840607078114
--> http://oss.sagepub.com/cgi/content/abstract/28/7/1055

Khalid Nadvi (2008): Global standards, global governance and the organization of global value chains, Journal of Economic Geography, doi:10.1093/jeg/lbn003
--> http://joeg.oxfordjournals.org/cgi/content/abstract/lbn003v1

Konsum: Lohas werden die Welt nicht retten

Klaus-Werner Lobo kritisiert in seinem aktuellen Beitrag im jetzt-Magazin der SZ LOHAS und bringt zahlreiche Argumente, die auch heute in der Sitzung gefallen sind.

aus: http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/473115

Zum Beispiel Konsum: Lohas werden die Welt nicht retten
Text: klaus-werner-lobo

Seit Organisationen wie Greenpeace die Kampagne für saubere Kleidung und Publikationen wie das Schwarzbuch Markenfirmen auf Menschenrechtsverletzungen, Kinderarbeit, globale Ausbeutung und Umweltzerstörung durch multinationale Unternehmen hinweisen, wollen immer mehr Menschen ihre Konsumprodukte aus ethisch und ökologisch „korrekter“ Herkunft beziehen. Häufig erhalte ich Anfragen, ob man diese oder jene Marke denn mit reinem Gewissen kaufen könne. Verlage drängen mich, doch endlich ein „Weißbuch Markenfirmen“ zu schreiben, also sozusagen eine Liste ethisch „unbedenklicher“ Marken.

Auch wenn ich damit womöglich viel Geld verdienen könnte: Eine solche Liste wird es von mir nicht geben. Weil es erstens unmöglich ist, weltweit agierende Konzerne mit Tausenden Zulieferbetrieben so umfassend zu kontrollieren, dass man sie „freisprechen“ könnte. Zweitens hat jeder Multi, der seine Profite auf Basis der Unterschiede zwischen armen und reichen Ländern erwirtschaftet, ein systematisches Interesse daran, diese Unterschiede aufrecht zu erhalten: Das liegt nicht an „bösen“ oder unwilligen ManagerInnen, sondern an einem Wirtschaftssystem, das Ausbeutung ökonomisch belohnt und so zur Geschäftsgrundlage macht.
Natürlich gibt es Hunderttausende kleine und mittlere Firmen, denen eine ökologisch und sozial nachhaltige Wirtschaftsweise wichtiger ist als die schnelle Rendite. Doch ein „Weißbuch“ über meinen Lieblingsschuster oder die Fahrradhändlerin ums Eck würde Leserinnen und Leser in Frankfurt, Budapest oder Buenos Aires relativ wenig interessieren.

Dennoch suggeriert eine Fülle aktueller Buchtitel, wie man mit „Shopping die Welt verbessern“ oder nur ein paar einfache Einkaufstipps beachten muss, um „die Welt zu retten“. Mit den LOHAS gibt es sogar einen von der Werbeindustrie umworbenen Konsumtrend, der auf gesunde und nachhaltige Lebensweise setzt. In den USA sollen 30 Prozent der VerbraucherInnen diesem Typ entsprechen, in Deutschland etwa 15 Prozent. Das ist schon ganz nett: In einer Marktwirtschaft bestimmt die Nachfrage zumindest zum Teil das Angebot, und je mehr Menschen Bio, aus Fairem Handel, vegetarisch oder aus der Region einkaufen, desto mehr wird sich der Markt diesen Bedürfnissen anpassen.

Wenn aber nun einige dieser Lohas glauben, ihren Teil zur Rettung des Planeten beizutragen, indem sie sich ein Hybridauto zulegen, halte ich das für ziemlichen Unsinn. Fahrrad und Bahn belasten nämlich die Umwelt immer noch weniger, aber vor allem können sich diese Art reinen Gewissens nur die leisten, die genug Geld dafür haben, und das gilt in geringerem Maß leider auch für die immer noch relativ teuren Öko- und Fairtradeprodukte. Wenn dann manche sogar meinen, demokratische Entscheidungen würden heutzutage an der Supermarktkasse getroffen, dann heißt das nichts anderes, als dass die Reichen in dieser „Konsumentendemokratie“ mehr mitzubestimmen haben als die weniger Wohlhabenden. Und damit wird genau das vorangetrieben, was wir eigentlich bekämpfen sollten – die Ökonomisierung und Privatisierung von Demokratie und Gesellschaft. Denn eine Hartz-IV-Empfängerin oder ein afrikanischer Kleinbauer haben kaum die Möglichkeit für solcherlei Gewissenspflege.

Ein Beispiel für die Blauäugigkeit vieler Lohas ist auch das deutsche „Internetportal für strategischen Konsum und nachhaltigen Lebensstil“ Utopia. „Kaufe dir eine bessere Welt“, heißt es da, als ob es nicht im Gegenteil darum ginge, die Welt vor ihren Verkäufern zu retten. Weil man „nicht von Spenden oder anderen gemeinnützigen Zuwendungen abhängig sein“ will, finanziert sich Utopia „durch das private Engagement der Gründer und erste Kooperationen“. Darunter auch Konzerne wie OTTO und Henkel. OTTO stand 2006 im „Schwarzbuch Markenfirmen“ noch für „Ausbeutung, sexuelle Belästigungen und andere Missstände in Zulieferbetrieben“, die Kampagne für Saubere Kleidung vermutet, dass China, die Türkei und Indien die Hauptlieferländer für Textilien sind. Überall dort sind desaströse Arbeitsbedingungen die Regel. Im Dezember 2006 wurde einem OTTO-Lieferanten sogar Kinderarbeit vorgeworfen. Immer mehr Utopia-User beklagen sich übrigens, dass ihr Account wegen kritischer Bemerkungen gesperrt worden sei.

Wenn wir für unsere Handlungen wirklich Verantwortung übernehmen wollen, dann dürfen wir uns nicht nur, wie das die Werbeindustrie gerne hätte, als KonsumentInnen sehen. Wir müssen wieder Menschen - und aktive Mitglieder der Gesellschaft - werden.

Lobo hat das "Schwarzbuch Markenfirmen" geschrieben, in "Uns gehört die Welt!" erklärt er Macht und Machenschaften von Konzernen - für jetzt.de macht Klaus Werner-Lobo Wirtschaft plastisch. Heute: Warum Lohas blauäugig sind!

Mittwoch, 6. Mai 2009

CSR stärkt und ergänzt staatliche Regulierungen, ersetzt sie aber nicht!

In etwa so lautet eine der Hauptaussagen des Papers über Multi-stakeholder-Initiativen von DARA O`ROURKE. Die Autorin untersuchte die verschiedensten weltweit existierenden Initiativen (u.a. die FairLaborAssociation FLA) auf ihre Stärken, Schwächen und methodischen und praktischen Probleme. Was klar hervorgeht, ist der Fakt, dass die Sanktionen, die ein Unternehmen zu fürchten hat, zum grössten Teil durch den Markt, und somit durch die Konsumenten vollzogen werden. Es liegt (oft) keine gerichtliche Haftbarkeit vor. Wenn keine einklagbaren Standards und lokale sanktionsfähige Institutionen vorhanden sind, muss der Endkonsument/die Endkonsumentin eines Produkts/einer Dienstleistung eine gewisse Verantwortung übernehmen. Diese kann er/sie aber nur wahrnehmen, wenn (1) genügend Informationen (Transparenz) und (2) ein gewisses Bewusstsein für globale Prozesse und Wertschöpfungsketten beim Konsumenten/bei der Konsumentin vorhanden sind. Und genau hier setzen diese Multi-stakeholder-Initiativen auch an: Unser externe Gast – Frau Mittal von der FLA – zeigte auf, wie schwierig es ist Firmen/Zulieferer von grossen Brands zu überprüfen und vor allem auch allfällige Defizite dieser Firmen/Zulieferer zu beheben. Die Transparenz (1) zu garantieren scheint sehr schwierig zu sein! Auf der anderen Seite versucht die FLA im wahrsten Sinne der Multi-stakeholder-Initiative alle von einer Entscheidung betroffenen Akteure an einen runden Tisch zu bringen, um eine Lösung, die für alle annehmbar ist, zu erarbeiten. Durch dieses Verfahren sollen den Akteuren neue/andere Perspektiven auf den Diskussionsgegenstand – z.B. Verlegung des Produktions-/Sourcing-Standortes - aufgezeigt werden. Dahinter steckt Habermas` Theorie, dass es keine objektive, nur eine diskursive Rationalität gibt und dass somit ein vernünftiges Resultat nur durch Diskussion und Verhandlung erzielt werden kann. Wobei hier die Auswahl der Stakeholder/Parteien ein Problem darstellt.

Abschliessende Worte: Jede Person ist zugleich Konsument/in und Staatsbürger/in. Diese sind klar von einander zu unterscheiden. CSR ist jedoch eine Mischform dazwischen. Die Konsumenten wollen mehr als nur ein Produkt, sie wollen global verbindliche Standards auch für Staatsbürger/innen anderer Gesellschaften, ohne demokratische Legitimation der Lokalbevölkerung. Deshalb ist CSR – im Sinne RUGGIEs - wohl einfach ein notwendiges Tool für die Etablierung und Weiterentwicklung von verbindlichen Standards. Niemals darf CSR aber die staatlichen Institutionen ersetzen, da ihr dafür die demokratische Legitimation fehlt.

pganz

Sonntag, 3. Mai 2009

Participatory Auditing als Lösung?

Barrientos und Smith haben untersucht, was die Verhaltenskodizes für die ArbeiterInnen in den globalen Produktionssystemen wirklich bringen. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass es wesentliche Unterschiede zwischen outcom standards und process rights gibt.
Diesen Unterschied möchte ich hier noch mal festhalten:
Process rigts sind intrinsische Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, welche ArbeiterInnen befähigen ihre Rechte einzufordern. Outcome standards sind hingegen ein Produkt von Verhandlungen und/oder rechtmässigem Anspruch. Outcome Standards sind mit den existierenden Arbeitsverhältnissen vereinbar, sie hinterfragen weder die Arbeitsverhältnisse noch soziale Normen, welche dem Produktionsprozess zugrunde liegen. Die Process rights werden vor allem von NGO’s und Gewerkschaften betont, denn sie beinhalten, dass ArbeiterInnen und ihre Organisationen in die Aushandlung ihrer eigenen Rechte miteinbezogen werden, wodurch sich Arbeitsverhältnisse und möglicherweise auch tiefer verwurzelte soziale Verhältnisse verändern.
Unser Besuch der BSCI erwähnte auch, dass es mit den Audits oftmals sehr schwierig sei festzustellen ob process rights wie das Recht auf Versammlungsfreiheit und Kollektivverhandlung wirklich gegeben seien.
Die Auditmethoden scheinen also nicht wirklich geeignet zu sein um alle Aspekte der Verhaltenskodizes zu überprüfen. Von verschiedenen Seiten wurde deshalb das participatory auditing vorgeschlagen. Dabei werden die ArbeiterInnen selbst und deren Empowerment in den Mittelpunkt gesellt.

Hier zwei Links zu participatory auditing:

http://www.impacttlimited.com/2008/12/10/participatory-audits-a-new-approach-to-auditing-%E2%80%93-increasingly-in-demand/

Levi Strauss scheint diese Methode bereits zu verwenden:

http://www.ethicalcorp.com/content.asp?ContentID=1777

Samstag, 2. Mai 2009

Klaus-Werner Lobo, der Autor des Buches "Uns gehört die Welt! Macht und Machenschaften der Multis" hat gestern im Jetzt-Magazin der Süddeutschen Zeitung seine Sicht auf CSR beschrieben:

Jeff Ballinger ist einer der ersten, die Ende des zwanzigsten Jahrhunderts globale Konzernverbrechen aufdeckten und an die Öffentlichkeit brachten. Im Oktober 2007 besuchte ich den 53jährigen Amerikaner in seiner Wohnung in Wien. Ich wollte wissen, ob sich seit damals wirklich etwas verbessert hat. „Überhaupt nichts“, sagte der grauhaarige freundliche Mann. „Im Gegenteil: Die Konzerne geben ihr Geld nun für teure CSR-Kampagnen aus, statt endlich faire Löhne zu bezahlen und die Situation in den Produktionsländern zu verbessern. Und für uns ist es schwieriger geworden, diese furchtbaren Zustände zu kritisieren, weil viele KonsumentInnen und Medien den Firmen ihre CSR-Lügen glauben.“ - „Die CSR-Maßnahmen haben unsere Lage sogar noch verschlechtert“, erzählte mir auch eine thailändische Arbeiterin, die Sportbekleidung für große Markenfirmen nähte. „Weil die Konzerne unseren Arbeitgebern für diese Maßnahmen nicht mehr bezahlen, wurden unsere Löhne gekürzt.“
Für einen Sportschuh, der bei uns hundert Euro kostet, erhält eine Näherin in China oder Vietnam rund 40 Cent. „Wenn jede Arbeiterin 75 Cent mehr bekäme, wäre das Problem gelöst“, sagt Jeff Ballinger. „Doch das würde Konzerne wie Nike 210 Millionen Dollar kosten. Stattdessen zahlen sie lieber zehn Millionen, damit ihre CSR-Leute von Konferenz zu Konferenz reisen und ihre Firma als verantwortungsvolles Unternehmen präsentieren können.“
Stellen wir uns vor, ich überfalle einen von euch und raube ihm alles was er hat. Wenn das Verbrechen öffentlich bekannt würde, hätte ich damit zweifellos einen gewissen Imageverlust zu erleiden. Stellen wir uns nun vor, ich zahle meinem Opfer nun mit großzügiger Geste einen Euro - und alle applaudieren. Das, meine Lieben, ist CSR.


--> siehe: http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/474089

Dienstag, 21. April 2009

CSR: Verbreitung, Massnahmen, Kritik

CSR ist in der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre noch nicht stark verankert. Dabei wäre CSR v.a. im Sinne eines „Business Case“, also als Erfolgsfaktor eines Unternehmens, eine lohnende Investition. Einerseits kann mit CSR Reputation erarbeitet werden (Kundenvertrauen etc.), andererseits können durch CSR direkte ökonomische Erfolge erwirtschaftet werden (Kosteneinsparungen durch verringerter Materialeinsatz etc.).
Eine reine Business Case-Betrachtung von CSR ist indes jedoch falsch, da auch soziale (z.B. Mitarbeiterzufriedenheit) und ökologische Bedürfnisse von Stakeholdern abgedeckt werden.

Hat man sich einmal für CSR-Massnahmen entschieden, könnten dies u.a. die folgenden sein:
Ethics, Values
Accountability, Transparency
Eco-Efficiency
Work Conditions
Non Business Stakeholder
...

Wichtig dabei ist auch die Unterscheidung dieser Massnahmen in CSR im Kerngeschäft, CSR in der Zivilgesellschaft sowie CSR für die Rahmenordnung.
Anhand des Fallbeispiels „Zimtstern“ wurden nun denkbare CSR-Strategien resp. -Massnahmen diskutiert:
Würde das Unternehmen beispielsweise Wert auf die Optimierung von Transportwegen (=Eco-Efficiency) und Arbeitsstandards (=Work Conditions) legen, würde dies einer CSR im Kerngeschäft entsprechen.
Oder wenn die Firma nun z.B. auf Öko-Prozent-Abgaben, Beiträge an Jugendveranstaltungen (=Ethics, Values) oder auf Zusammenarbeit mit NGOs (=Non Business STH) setzt, so würde dies eine CSR in der Zivilgesellschaft bedeuten.

Es stellt sich auch immer die Frage, ob die entsprechenden CSR-Massnahmen nun einem Business Case entsprechen. Zu diesem Zweck wird untersucht, ob die Massnahmen mit ökonomischen Zielen wie z.B. Kundenanziehung, Kapitalzugang oder Innovationen korrelieren. Die CSR-Massnahme Eco-Efficiency beispielsweise korreliert immer mit sehr vielen dieser Wirtschafts-Zielen, somit kann sie als eine Business Case-Massnahme betrachtet werden. Die Zuordnung ist jedoch nicht immer eindeutig und noch sehr wenig erforscht.


Es existieren auch einige Kritikpunkte zur CSR:
CSR kann keinen Beitrag zur Armutsreduktion liefern (dies ist jedoch auch nicht explizit das Ziel von CSR).
CSR gewährleistet zwar sozialen Schutz (z.B. Wohlfahrt der ArbeitnehmerInnen), jedoch keine ausreichende Umsetzung von Menschenrechten oder die Besserstellung von Schwächeren.
Macht, durch welche CSR definiert werden kann, liegen meistens bei den Einzelhändlern im Norden.
Dementsprechend haben arme Communities meist eine schwache Stellung inne, sie können sich nur wehren, indem sie Druck auf den Staat ausüben.
Gender-bedingte Ungleichheiten werden zu wenig beachtet.


M. Bamert